Jutta Schmidt, Fotografie, Dortmund, Beckenrand
 

Vom Beckenrand

Die zahlreichen Schließungen öffentlicher Freibäder, geben vielerorts Anlass zur öffentlichen Diskussion. Die großzügig angelegten Freibadareale werden auf zentral gelegene, meist kleinere und vergleichsweise hochpreisige Spaßbäder reduziert.
Vor dem Hintergrund der Bäderkultur, die ihren Ursprung in der Antike hat und bis heute in allen Kulturen jeweils Ausdruck für die Kultiviertheit einer Gesellschaft war, stellt sich die Frage, ob die Tendenz zu einer Spaßbadgesellschaft, deren Focus sich längst von der sportlichen Idee der einstigen „Trimm dich“ -Welle zu einer teueren und deutlich passiveren Wasserbespaßung gewandelt hat, nicht programmatisch für das ist, was sich insgesamt in unserer Gesellschaft beobachten lässt.
Das Freibad als kostengünsiges Freizeitangebot droht zu verschwinden und mit ihm eine tradierte Freizeitkultur, die Raum gibt für viel kollektive Erlebnisse. In meinen Arbeiten geht es darum das Freibad exemplarisch als Ort der sozialen und persönlichen Prägung zu sehen, ein eigener Kosmos in dem Verhaltenscodes und Disziplinen erlebt und erlernt werden. Es geht aber auch um das Schwimmen als physischen Erleben. Meine Arbeiten erzählen von Kindheit und dem Erwachsen sein. Vom schwimmen können und vom schwimmen lernen.
 
 

Eintauchen/Auftauchen

Videoprojektion, DV-Pal

In der Arbeit sind simultan zwei Videoloops zu sehen. Zum einen sieht man einen Kopfsprung und das Eintauchen des Körpers aus der Unter-wasserperspektive zum anderen sieht man das Auftauchen aus dem Wasser und den sich anschließenden tiefen und konzentrierten Atemzug bevor der Körper wieder erneut ins Wasser eintaucht. Die bewegten Bilder ergeben übereck projeziert ein virtuelles Becken, aus dessen Inneren man dumpf die Geräuschekulisse von „draußen“ wahrnimmt. Die physische Erfahrung der Schwimmerin im Wasser, sowie das wiederholte Ein -und Auftauchen steht hier auch für die menschliche Erfahrungswelt und geht weit über die sportliche Übung hinaus.
 
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Als es letzten Sommer immer regnete

Fotoinstallation, Diaprojektion von Lochkameraaufnahmen

August 2007. Angeblich einer der schlechtesten, seit es Aufzeichnungen über das Wetter gibt. Wer schon einmal in einem nahezu leeren Freibad gewesen ist, kennt diese einzigartige Stimmung. Die bewegungslosen Wasseroberflächen, das Brummen der Pumpanlage, die riesigen menschenleeren Liegewiesen und diese wartende Aufgeräumtheit. Monumental thronen die Sprungtürme über den blauen Rechtecken. Kein nasser Fußabdruck ziert den Beckenrand und der unverwechselbare Lärm ist einer fast gespenstischen Stille gewichen. Diese Stimmung wurde Lochkamera festgehalten. Diese ermöglicht, dass man während einer Fortbewegung, in diesem Falle während eines Spazierganges, längere Wegstücke ähnlich einer Filmaufnahme in nur einer Fotografie festhält.
 
 
 
 

Im Volksbad

Super 8- Film

Die inszenierten privaten Bilder dieser Arbeit beschäftigen sich zum einen mit der „privaten Kulturvermittlung“ und zum anderen mit der Spiegelfunktion des eigenen Kindes. Das Erlernen des Schwimmens steht für das Erlernen kultureller Kompetenzen. Laut aktueller Statistiken können immer weniger Kinder schwimmen. Mit dem Ausverkauf der öffentlichen Bäder verschwindet der Ort der privaten Vermittlung der Schwimmkultur. In Erinnerung an die Filmabende der Super 8 - Aera, wird dieser Film in Form eines „Heimkinos“ präsentiert.
Mit humorvoller Tragik erzählen die nostalgisch anmutenden Sequenzen vom Kindsein und vom Elternsein. Seltsam und vertraut muten diese aufgeladenen und sehr unmittelbaren Szenen an und doch wirken sie am Ende fern und verblichen wie die Kindheit selbst.